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  • 12.08.2019
SÜDWEST PRESSE von Alfred Wiedemann

Minister Hauck besucht das LAZBW

Klimaschutz im Kuhstall

Rinder produzieren das Treibhausgas Methan. Im oberschwäbischen Aulendorf wird erforscht, wie der Ausstoß gesenkt werden kann.

Der Laser zielt aufs Maul der Kuh, die in ihrer Box im Stall des Landwirtschaftlichen Zentrums in Aulendorf liegt und wiederkäut. Der Laser stört sie nicht, liefert aber Daten im Kampf gegen den Klimawandel. Das Messgerät, das Julia Heinecke minutenlang auf die wiederkäuende Kuh richtet, misst die Methankonzentration. Das Gas gelangt bei jedem Rülpser der Kuh in die Luft. „Das Gerät ist aus dem Bergbau“, sagt Heinecke, „da nimmt man es zum Aufspüren von Gaslecks“. So gesehen sind Kuhmäuler ergiebige Gaslecks.
Methan, CH4, ist ein Klimagas, sechs Prozent macht sein Anteil an den Treibhausgas-Emissionen aus. Der Anteil ist seit 1990 stark gesunken. Weniger Abfall und Deponiegas und verkleinerte Tierbestände in den neuen Ländern sind laut Bundesumweltamt die Gründe. 60 Prozent der Methangas-Emissionen in Deutschland stammen heute aus der Landwirtschaft. Das Gas entsteht beim Vergären des Futters im Pansen, einem Teil des Kuhmagens, und wird ausgeatmet. Dazu kommt vom Mist das ebenfalls klimawirksame Lachgas N2O und seine Vorläufersubstanzen Stickoxide und Stickstoff. Zusammen mit dem Methan sind das die wichtigsten Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft.

Wer gegen den Klimawandel angehen will, kann diese Emissionen nicht links liegen lassen: In Baden-Württemberg hat das Statistische Landesamt im Mai 2019 insgesamt 961 666 Rinder gezählt. Ein Jahr zuvor waren es noch 1,4 Prozent mehr, 947 746 Rinder. Betriebe mit Rinderhaltung waren es 6480, im Mai 2018 waren es noch 6801. Da kommt eine Menge klimaschädlicher Emissionen zusammen.

„Die Landwirtschaft muss ihren Beitrag leisten“, sagt Franz Schweizer, Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei (LAZBW) in Oberschwaben. Die Forscher wollen wissen, wie man die Methan emissionen senken kann. Vernetzt wird dazu deutschlandweit geforscht.

Bei Wiederkäuern wie Kühen und Schafen gibt’s keine Verdauung ohne Methangas. Das Gas aufzufangen sei schwierig, fürs Tierwohl seien offene Ställe mit gutem Luftaustausch wichtig, sagt Schweizer. Deshalb interessiert die Wissenschaftler, ob bestimmtes Futter die Methanwerte senkt.

Ein Zusatz mit Zitrus- und Knoblauchextrakt soll zum Beispiel im Pansen wirken und das Methan um 15 Prozent vermindern. Ein anderer mit ätherischen Ölen soll die Lachgas-Emission mindern.

Ein Versuch sei in Planung, einer laufe, sagt Thomas Jilg vom LAZBW. „Wir wollen den Landwirten sagen können, ob solche Futterzusätze sinnvoll sind oder nicht.“ In Aulendorf gehe es um „angewandte Forschung“, sagt Leiter Schweizer. In Lehrgängen wird den Landwirten Wissen vermittelt. Bei den Versuchen mit den Futterzusätzen geht es auch um „Nebenwirkungen“ der Zusätze. Nach Knoblauch wird die Milch sicher nicht schmecken. Aber was geschieht mit der Milchleistung? Weil die Kühe sehr unterschiedliche Mengen Methangas produzieren, wird auch die Zuchtplanung wichtig. „Das sind alles sehr komplexe Vorgänge“, sagt Jilg. „Es muss alles zusammen gesehen werden“, sagt Schweizer, „Futter, Dünger, Tiergesundheit.“

Das unterstreicht auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk, der kürzlich zu Besuch in Aulendorf war. Die Forschung sei wichtig, um den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu senken. Ohne Rinderhaltung sei der hohe Anteil an Grünland – 38 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Baden-Württemberg – nicht zu halten, sagte Hauk. Immer wieder rücke aus dem Blick, dass Grünland der wichtigste CO2-Speicher nach dem Wald sei. Notwendig sei eine „effektive Bewirtschaftung“, nicht zu verwechseln mit einer hoch effizienten. Mit weniger Methangas-Emissionen.

Mit den Augen einer Kuh sehen

NEU: Kuhaugensimulator am LAZBW zum Einsatz in der Bildungs- und Forschungsarbeit

Und, wie sieht man mit den Augen einer Kuh? „Ganz anders als der Mensch“, sagt Agrarminister Peter Hauk (CDU). In der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Aulendorf hat er sich die VR-Brille aufgesetzt, die mit Computerhilfe die Sicht einer Kuh simuliert. Auf dem Laptop kann man es verfolgen: ein Sichtfeld von 330 Grad, aber Tunnelblick. Die Entfernungen sind schlecht einzuschätzen, das Anpassen an Hell und Dunkel geht ganz langsam. Da wird der Gang in den Viehanhänger arg wackelig. „Das macht bleibenden Eindruck“, sagt Hauk danach. Das ist das Lernziel. Landwirte lernen in Lehrgängen am Forschungszentrum mit der Brille, wie eine Kuh tickt, warum sie Zeit braucht beim Verladen, warum Hektik ganz schlecht ist und gutes Licht im Stall wichtig. Die Bauern sollen sich reindenken in das Tier. „Die stressfreie Kuh dankt es“, sagt Agraringenieur Tobias Fink vom Forschungszentrum. Und zur Unfallvermeidung trage dieses Reindenken auch bei.

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